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Sortenreines Saatgut anbauen

Stabiles und instabiles Saatgut

Hand aufs Herz, liebe Leser: Haben Sie schon einmal „die Tomate im Sack angebaut“? Haben Sie einige Körnchen der schönen Snacktomate aus dem Supermarkt beiseite gelegt, um die Sorte im nächsten Jahr selbst auf dem Balkon ziehen zu können? Und haben Sie sich dann gewundert, weil aus dem Samen der gelben Datteltomate eine rote Rundtomate gewachsen ist?

Falls ja, dann haben Sie vermutlich das gewonnene Saatgut einer nicht samenfesten Sorte, also einer F1-Hybridtomate ausgesät. Oder der Tomatensamen wurde einer eigentlich sortenfesten, aber verkreuzten Frucht entnommen.

F1-Hybriden

Die gewerblich angebotenen F1-Hybriden sind spezielle Züchtungen. Hierbei werden verschiedene Tomatensorten als Elternlinien ausgewählt und gezielt miteinander gekreuzt. Sät man die gekauften Samenkörnchen aus, so wachsen die Früchte so wie beschrieben. Naürlich kann diesen Früchten Saatgut entnommen werden, falls die Tomaten nicht dahin gehend gezüchtet wurden, gar kein oder steriles Saatgut zu produzieren.

Aber, und nun kommt das große aber: F1-Sorten sind nicht samenfest. Zweifelsohne kann das von F1-Sorten gewonnene Saatgut ausgesät werden. Aber die im Folgejahr heranreifenden Tomaten werden niemals „die“ Tomaten, die einem aus der vorherigen Saison in so guter Erinnerung geblieben waren. Denn jedes einzelne Saatkörnchen trägt eine individuelle Genzusammenstellung in sich, die von den eingezüchteten Elternsorten vererbt wurden. Diese Gene wirken sich erst in der der F1 folgenden Anbaugeneration F2 aus und zeigen sich durch unterschiedlichen Wuchsformen, Fruchtformen und Farben. Auch Ertrag, Rispenform, Geschmack oder Reifezeit können ganz anders sein. Nur eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Es werden weiterhin Tomaten wachsen.

Hummel an Howard-Blüte

Hummel an Howard-Blüte

Ähnliches wie in den Laboren der Saatgutriesen kann im heimischen Garten passieren. Wenn verschiedene Tomatensorten in räumlicher Nähe angebaut werden, können Fremdbestäubungen und somit Verkreuzungen auftreten. Ursächlich hierfür sind die auf Futtersuche umherschwirrenden Bestäuberinsekten, allen voran die Hummeln.

F1 schmeckt auch

Für den Wuchs und den Geschmack der Tomaten der laufenden Saison ist die Herkunft des Pollens egal. Wichtig ist nur eine Befruchtung, damit überhaupt Tomatenfrüchte wachsen. Werden fremdbestäubte Früchte aber für die Saatguternte herangezogen, gilt das, was oben unter der Nachzucht von Hybridsorten aufgeführt ist.

Analog zu Hybridtomaten spricht man auch bei durch die Natur verkreuzten Sorten im Folgejahr von der F1-Generation. Das Saatgut trägt unterschiedlichste Kombinationen von Erbinformationen in sich.

Zwar kann es spannend sein zu beobachten, was denn da heranreift. Andererseits hat der tomatenverrückte Hobbygärtner meist zu wenig Anbaufläche, um sich an der banalen, roten Cocktailtomate zu erfreuen, die anstelle der gesäten blau-grün-gestreiften Rundtomate wächst.

Aufbau einer Zwitterblüte

Die Sache mit den Hummeln kann man besser verstehen, wenn man sich den Aufbau und die Funktionsweise einer Tomatenblüte genauer anschaut.

Blütenstand der gelben Cocktailtomate Katinka

Blütenstand der Sorte Katinka

Tomaten besitzen Zwitterblüten. Die immergrünen Kelchblätter sind mit dem Fruchtboden verwachsen und bilden eine Art Nest. Die äußeren gelben Kronblätter biegen sich nach dem Aufblühen nach hinten und geben den Staubbeutel frei. Im Inneren des Staubbeutels befinden sich gut geschützt sowohl die männlichen Staubblätter als auch die weiblichen Fruchtblätter. Der wesentliche Teil der Fruchtblätter besteht aus dem Griffel, an dessen äußeren Ende die Narbe sitzt. Diese Narbe nimmt die Blütenpollen auf, die durch leichte Erschütterungen der Blüte auf Griffel und Narbe rieseln und so die Tomatenblüte befruchten. Man bezeichnet dies als Vibrationsbestäubung.

Hummeln und Wildbienen als Vibrationsbestäuber

Die für die Bestäubung notwendigen Schwingungen können durch Schütteln, durch Windbewegungen oder eben durch Insekten hervorgerufen werden.

Insbesondere Wildbienen und Erdhummeln, die in großen Gewächshäusern als sehr erfolgreiche Bestäuber eingesetzt werden, haben sich auf das Rütteln von Blüten spezialisiert.

Bissspuren an einer Howard-Blüte

Die Insekten verbeißen sich in den Staubbeuteln der Blüten und bringen diese durch die Betätigung der Flugmuskulatur, nicht zu Verwechseln mit Flügelschlag, in die für die Befruchtung notwendige Vibration. Wer genau hinschaut, kann an manchen Staubbeuteln der Blüten bräunliche Verfärbungen erkennen. Das sind die Bissspuren der Bestäuberinsekten.

Selbstredend sind Wildbienen und Hummeln wenig daran interessiert, die Tomatenproduktion anzukurbeln. Vielmehr sammeln sie für sich und ihren Nachwuchs den Pollen, der nicht nur auf die Narbe, sondern auch auf die Hummeln fällt und an deren Hinterbeinen kleben bleibt. So ist es für die fleißigen Tierchen ein leichtes, das Futter  ins heimische Nest zu transportieren. Einfach clever, unsere Natur.

Wie genau das funktioniert, zeigt dieses beeindruckende Video.

Unsere modernen Lebensstrukturen gehen leider zulasten dieser heimischen Nützlinge. Durch das Aufstellen eines dekorativen Insektenhotels können Sie den bedrohten Wildbienen und anderen Insekten helfen.

Wildbienen auf Futtersuche

Blüte der Sorte Purple Calabash

Blüte der Sorte Purple Calabash

Schaut man sich die Blüten einzelner Tomatensorten näher an, fällt auf, dass bei manchen Blüten ein Teil des Griffels sowie die Narbe aus dem Staubbeutel herausragen.

Verbeißt sich eine bereits pollenverklebte Hummel auf Nahrungssuche an solch einer Blüte, so ist die Gefahr groß, dass der Pollen einer anderen Sorte in die Narbe dieser Blüte gelangt. Und mehr braucht es nicht für eine Fremdbestäubung.

Blüte der Ananastomate

Blüte der Ananastomate

In der laufenden Gartensaison ist die Herkunft des Pollens für den Wuchs und den Geschmack der Tomatenfrucht unerheblich. Wenn also nicht bereits die Ausgangssaat verkreuzt war, werden die reifen Tomaten das gewünschte Aussehen entwickeln, selbst wenn Bestäuberinsekten Fremdpollen eingetragen haben.

„Problematisch“ wird es in einer kommenden Anbausaison, wenn die fremdbestäubten Tomatenfrüchte für die Saatgutvermehrung verwendet werden.

Tomaten sortenrein vermehren

Verhindern kann man diese unerwünschte Verkreuzung, indem man entweder die gesamte Pflanze oder aber einzelne Blütenrispen isoliert.

Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. In Gewächshäusern besteht die Möglichkeit, Fenster und Türen mit Fliegenschutznetzen zu sichern. Für Freilandpflanzen bietet der Fachhandel Produkte an, die wie ein Käfig über die gesamte Pflanze gestülpt werden.

verhüllte Blütenrispe

verhüllte Blütensrispe

Doch im Grunde reicht es vollkommen aus, einzelne noch verschlossene Blütenstände zu verhüllen. Unter Regendach funktionieren Reinraumhauben, wie sie in Krankenhäusern oder Industrie Verwendung finden, ganz gut. Für einzelne Blüten können auch Teebeutel oder Nylonstrümpfe verwendet werden.

Sortenreines Saatgut anbauen mit Traubenschutzbeuteln aus Organza

Traubenschutzbeutel

Wer seine Tomatenfrüchte sehr komfortabel sortenrein erhalten möchte, kann Traubenschutzhauben aus Organza verwenden.

Diese Beutel sind eigentlich für dafür gedacht, abreifende Weintrauben vor Vogel- und Insektenfraß zu schützen. Die Größe und das integrierte Zugband machen sie jedoch zum idealen Helferlein in der sortenreinen Saatgutgewinnung.

Leider sind die Traubenschutzhauben etwas teurer als Teebeutel oder Indrustriehauben. Und sie sind aus Kunststoff. Dafür sind sie aber wetterfest und für den ungeschützen Freilandanbau geeignet. Und sie können ausgewaschen und mehrmals verwendet werden.

Wichtig für die Bestäubung verhüllter Rispen

Egal, wie die Blütenrispen verhüllt wurden: Keinesfalls darf vergessen werden, täglich die Befruchtung der isolierten Pflanzen durch leichtes Schütteln zu unterstützen. Ideal sind hierfür die Vormittagsstunden, da zu dem Zeitpunkt das Zusammenspiel zwischen Temperatur und Luftfeuchtigkeit die Befruchtung begünstigt.

Die Schutzhülle sollte erst abgenommen werden, wenn die Fruchtansätze erkennbar sind. Sollten sich noch Blüten an der Rispe befinden, müssen diese entfernt werden. Anderenfalls ist die Gefahr zu groß, dass die nunmehr ungeschützt verbleibenden Blüten Fremdpollen aufnehmen könnten.

Die Rispen sollten sofort nach der Entfernung der Schutzhüllen mit einer farbigen Schnur oder einer Wäscheklammer markiert werden, damit die sortenrein gezogenen Früchte als solche erkennbar bleiben. Auch schadet es nicht, die Tomaten dieser Rispen etwas länger am Stock zu belassen, damit sich das Saatgut optimal entwickeln kann.

Ja gut, aber …

Schlussendlich aber doch noch ein paar kritische Anmerkungen. Das Verhüllen einzelner Blüten oder Pflanzen ist eine Methode, die, ordentlich angewandt, funktioniert und sortenreines Saatgut liefert.

Für den Freizeitgärtner ist diese Art der sortenreinen Saatgutgewinnung vollkommen ausreichend. Schließlich kann man davon ausgehen, dass gekauftes Saatgut sortenrein und selektiert in den Handel kommt. Somit geht es in der Hauptsache darum, eigenes Saatgut der Lieblingssorte für die nächste Saison zu ernten.

Um eine Sorte mit den ganz spezifischen Merkmalen dauerhaft zu erhalten, genügt diese Vorgehensweise aber nicht. Hierfür müssen viele, mindestens aber zehn, Pflanzen der zu vermehrenden Sorte isoliert oder in Alleinstellung angebaut werden. Dann erst hat man die Möglichkeit, sich als Saatgutträger die Pflanzen und Früchte herauszusuchen, die dem Ideal der Sorte entsprechen.

Empfehlung: Handbuch Samengärtnerei

Wer sich näher mit den Thema Saatguternte auch bei anderen Gemüsesorten beschäftigen möchte, dem können wir ein wirklich ausgezeichnetes Buch der Autorin Andrea Heistinger empfehlen.

Handbuch Samengärtnerei. Sorten erhalten. Vielfalt vermehren. Gemüse genießen.

Das Buch zählt zwischenzeitlich zum Standardwerk in Sachen Saatgutgewinnung.

Herausgeber des Buches sind Arche Noah und ProSpecieRara, beides Organisationen, denen der Erhalt der Sortenvielfalt sehr am Herzen liegt. So erfährt der Leser umfassend und anschaulich nahezu alles über die Vermehrung samenfester Nutzpflanzen und worauf bei der Vermehrung besonders geachtet werden muss. Insbesondere informiert das Buch darüber, wie die Bestäubung in den verschiedenen Pflanzenfamilien funktioniert, womit sie sich verkreuzen können und wie man eine Verkreuzung verhindern kann oder wie die Samen zu ernten sind.

Viele Bilder, Zeichnungen, Checklisten und Tabellen sowie eine übersichtliche Gestaltung machen aus dem Buch viel mehr als ein Nachschlagewerk. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, zum Umdenken und zum Tun dessen, was für alle Generationen vor uns ganz selbstverständlich war: Das Anbauen und Ernten von eigenem, wohlschmeckendem und gesundem Gemüse im Kreislauf der Natur. Das Buch zeigt, wie es funktioniert und es zeigt, dass es gar nicht so schwer ist.

Categories: Grundlagen

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Maja

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